Im Gegensatz zum Strafverfahren gegen Erwachsene werden die Jugendgerichtsprozesse grundsätzlich nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt (Art. 14 Abs. 1 JStPO). Nur in Ausnahmefällen werden Prozesse gegen
Jugendstraftäter vor Publikum ausgetragen (Art. 14 Abs. 2 JStPO).
Dieser Grundsatz führt oftmals zu Kritik, da eine öffentliche Verhandlung von jugendlichen Tätern eine abschreckende und erzieherische Wirkung habe, die sie davor bewahren könnte, rückfällig zu werden. Sitzen im Verhandlungssaal auch Angehörige und Bekannte des Opfers, hinterlässt dies viel mehr Eindruck, als wenn nur Sozialarbeiter, Betreuer oder Psychologen an der Verhandlung anwesend sind.
Hätten die Medien die Möglichkeit, vom Prozess zu berichten, könnte das auch potenzielle Täter von ihren Straftaten abhalten.
Aus diesen Gründen argumentieren viele dafür, dass auch diese Prozesse öffentlich verhandelt werden sollten. Weshalb hat sich der Gesetzgeber aber dafür entschieden, dass Jugendgerichtsprozesse nicht öffentlich verhandelt werden dürfen?
Im Jugendgerichtsverfahren wird nicht öffentlich verhandelt, da es die Privatsphäre des Jugendlichen und seine Familie zu schützen gilt. Jugendliche sind, egal ob Opfer oder Täter, besonders verletzlich. Eine Studie belegt, dass viele jugendliche Täter bereits selbst Opfer von Gewalt gewesen sind – auch innerfamiliär. Bei einer Verhandlung ist klar, dass solche familiären Probleme angesprochen werden. Im Falle einer öffentlichen Verhandlung ist dadurch eine ganze Familie betroffen, woran kein öffentliches Interesse besteht.
Hinzu kommt, dass heutzutage das mediale Interesse an Strafverhandlungen viel grösser ist als früher. Durch die Verbreitung des Strafverfahrens in den sozialen Medien kann sich jede und jeder eine Meinung über den Täter bilden und diese auch preisgeben – so beispielsweise durch die öffentliche Diskussion durch Leserkommentare. Dadurch ist nicht zu erwarten, dass sich ein Jugendlicher gebessert werden kann.
Zudem kann die Persönlichkeitsstruktur der angeklagten Jugendlichen und deren Taten für das Publikum belastend oder sogar traumatisierend sein, da sie durch ihr Umfeld derart belastet worden sind, dass sie kriminell geworden sind.